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Matthias Rudolph und Rolf Kutzmutz im Interview

Im Sommer 2015 wurde Matthias Rudolph Co-Trainer von Bernd Schröder, der seit Turbines Geburtsstunde nahezu durchgängig den Posten des Cheftrainers beim 1. FFC Turbine Potsdam besetzte. Nur ein Jahr später löste der ehemalige Spieler von Babelsberg 03 Schröder ab und führte die Turbinen seitdem durch drei erfolgreiche Saisons. Rolf Kutzmutz wurde am 27. Februar 2015 von den Mitgliedern des 1. FFC Turbine Potsdam e.V. einstimmig zum Präsidenten gewählt und übernahm somit das Amt von Günter Basske. Sowohl unser Cheftrainer als auch unser Präsident sprechen über Saisonziele, Veränderungen und die Zukunft von Turbine Potsdam.

Im vergangenen Jahr gab es auf den politischen Ebenen der Stadt Potsdam viele Gespräche, um über die Verbesserungen der Infrastrukturen am Luftschiffhafen zu diskutieren. Du hast dich mit Unterstützung von Vize-Präsident Dr. Timo Jacob  und Cheftrainer Matthias Rudolph als Präsident sehr dafür eingesetzt, dass unser Verein in Zukunft verbesserte Trainingsbedingungen vorfindet. Was konnte bisher erreicht werden und was sind die infrastrukturellen Ziele des Vereins am Standort Luftschiffhafen?

ROLF: Zum besseren Verständnis will ich etwas ausführlicher antworten. In den Gesprächen, die ich geführt habe, ging es zuerst um die sportpolitische Wertung und Bedeutung unseres Vereins für die Stadt und die daraus abzuleitende Unterstützung, die natürlich auch die Trainingsbedingungen und die damit verbundenen Probleme beinhalteten. Wir sind als Verein am Luftschiffhafen beheimatet, weil es den Beschluss gab, alle olympischen Sportarten am Olympiastützpunkt zusammenzuführen. Daran galt es zu erinnern. Schließlich sind alle Leistungsteams unseres Vereins dort zu Hause. Natürlich sind damit auch immer Abstimmungen mit den anderen Sportarten erforderlich, weil sich zwar die Anzahl der Nutzer, nicht aber die Größe der Sportflächen erweitert hat. Durch die intensivere Beanspruchung ist deren Zustand in Mitleidenschaft gezogen worden, was wiederum zur Verschlechterung der Trainingsbedingungen geführt hat. Und schließlich: keiner der genutzten Fußballplätze entspricht in seinen Maßen den nationalen oder internationalen Bedingungen. Und hier kommt – Ehre wem Ehre gebührt – unser Vizepräsident Dr. Timo Jacob ins Spiel. Auf der Grundlage der Vorarbeiten durch Matthias Rudolph hat Timo mit Mitarbeitern aus seinem Team der S&P Ingenieure + Architekten Potsdam für alle drei Sportfelder – das Leichtathletikstadion, den „Käfig“ und den Kunstrasenplatz – konkrete Anforderungen und Vorschläge in die Beratungen der Vereine mit der Leitung des Sportparks und der Stadtverwaltung eingebracht. Im Ergebnis der Beratungen konnte er in der Mitgliederversammlung unseres Vereins darüber berichten, dass z.B. im Stadion eine Erweiterung der Spielfläche erfolgt und ein Hybridrasen zum Einsatz kommen soll, der die Mehrfachbelastungen besser verträgt. Der Kunstrasenplatz wird erneuert, auf DFB-Mindestmaße vergrößert und erhält zusätzlich eine Rasenheizung, auch eine Vergrößerung des „Käfigs“ ist in der Planung. Nach Abschluss der durch die Stadtverwaltung zugesicherten Maßnahmen sehen wir als Verein eine deutliche Verbesserung unser Trainingsbedingungen. Es muss allerdings der Ehrlichkeit wegen angeführt werden, dass diese Maßnahmen nicht die Abstimmungen zwischen den Vereinen, die insbesondere in den Bauphasen von großer Bedeutung sein werden, ersetzen und eine effektive Nutzungsplanung erforderlich ist.

Kannst du aus sportlicher Sicht die Bedeutung von professionellen Trainingsbedingungen für Turbine Potsdam beschreiben.

MATTHIAS: Professionelle Trainingsbedingungen bilden die absolute Grundlage für einen erfolgreichen Verein Turbine Potsdam. Unser Verein lebt von den Entwicklungen der Spielerinnen. Zum einen benötigen wir optimale Trainingsbedingungen, um durch die Elite-Sportschule über unsere Leistungsmannschaften (U15, U17 und 2. Mannschaft) junge Talente auf die Bundesliga vorzubereiten. Zum anderen sind sehr gute Platzbedingungen nötig, um schnellere Entwicklungsschritte im täglichen Trainingsprozess bei den Spielerinnen der 1. Mannschaft zu ermöglichen. Ein sehr guter Rasenplatz ist der Ausgangspunkt des sportlichen Erfolgs. Weiterhin spielen die Trainingsbedingungen bei den Neuverpflichtungen sowie bei den Vertragsverlängerungen eine entscheidende Rolle. Sie sind ein Hauptkriterium und somit sehr wichtig für den Standort Frauenfußball in Potsdam.

In der vergangenen Saison schloss Turbine mit Platz 3 einen Tabellenplatz besser ab, als ein Jahr zuvor. Mit welcher Ausrichtung wird die Saison 2019/20 angegangen?

ROLF: Die grundsätzliche Vereinszielstellung, haben wir in unserem Leitbild formuliert: „Mit allen Leistungsmannschaften wollen wir die Spitze des deutschen Mädchen- und Frauenfußballs mitbestimmen, Spielerinnen für den Kader der A-Nationalmannschaft sowie die jeweiligen U-Nationalmannschaften entwickeln und an internationale Erfolge unseres Vereins anknüpfen.“ Wir stellen uns das Ziel, an der Spitze der Liga zu spielen. Leistungssport ist ohne solche Zielstellungen nicht möglich. Das gilt auch für die eben begonnene Saison und damit als Anspruch für unser Team.

Was ist neben der vorgegebenen Philosophie des Vereins für dich als Cheftrainer mit Blick auf einzelne Spielerinnen und das Mannschaftsgefüge wichtig?

MATTHIAS: Der Vorstand hat mit dem Trainerteam im März zusammengesessen und gemeinsam das Ziel für die nächsten Jahre formuliert. Wir waren uns einig, dass wir eine schlagkräftige Mannschaft für die nächsten 2 bis 4 Jahre (WM-Zyklus) aufbauen wollen. Die momentanen eigenen Rahmenbedingungen sowie die Entwicklung im internationalen Fußball lassen uns da keinen großen Spielraum. Infolgedessen haben wir viele junge talentierte Spielerinnen für die neue Saison verpflichtet. Zusammen mit den hier gebliebenen Spielerinnen sehen wir ganz viel Potenzial, um das Ziel erreichen zu können. Somit wollen wir in dieser Saison insbesondere unsere Spielerinnen weiterentwickeln und als Mannschaft immer stärker werden. Das Team soll zu einer geschlossenen Einheit zusammenwachsen. Letztlich gehen wir in jedes Spiel, um es zu gewinnen.

 

Welche Veränderungen im europäischen Frauenfußball und in der Bundesliga haben dazu geführt, dass es für traditionelle Frauenfußballvereine immer schwieriger wird, sich für die Champions League zu qualifizieren?

ROLF: Sicherlich hätten wir gerne einen Champions League Platz erreicht und natürlich wird der sportliche Erfolg durch die Qualität des Kaders und die Ausschöpfung dessen Potentials bestimmt. Und ja, trotz intensiver Analyse und Vorarbeit können weder Fehlinvestitionen bei Neuverpflichtungen, erhebliche Leistungsschwankungen bei jungen Spielerinnen noch verletzungsbedingte Ausfälle von Leistungsträgern ausgeschlossen werden. Das alles kann den angestrebten sportlichen Erfolg massiv beeinflussen. Kann – aber muss nicht – denn das sind Probleme, die in jedem Verein auftreten können. Wer sie am besten meistert, steht vorne. Da sind Budget und die Infrastruktur ganz sicher von großer Bedeutung, das weiß ich. Wir müssen umso mehr mit „unseren Pfunden wuchern“ und unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Wer in unserem Jahresheft die Seite aufschlägt, auf der die Eliteschule des Sports und unser Verbundsystem aus Verein, Schule und Landesverband dargestellt sind, wird verstehen, wovon ich spreche. Natürlich sehe auch ich die internationale Entwicklung – besonders in Europa. Schließlich kamen bei der WM sieben von acht Viertelfinalisten aus Europa, was auch dazu geführt hat, dass die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Olympischen Spiele verpasst hat. Es ist in einigen Ländern wie England, Frankreich, Spanien und Italien viel Geld eingesetzt worden, um den Frauenfußball voranzubringen. In manchen Nationen (England) durch den Verband, in anderen (Frankreich, Italien) durch die bestehenden Lizenzvereine. Ob diese Entwicklung nachhaltig ist, ist noch nicht abzusehen. Noch sind es in den genannten Ländern meist zwei, maximal drei Vereine, die das Niveau bestimmen – alle anderen spielen nur mit. Solch eine Entwicklung sollten wir in der Bundesliga nach Kräften verhindern, auch wenn die Entwicklung in diese Richtung zu verlaufen scheint.

MATTHIAS: Wenn ein Lizenzverein im Männerfußball gewillt ist seine eigene Frauenmannschaft stark zu unterstützen, haben diese Vereine gegenüber den traditionellen einfach bessere Rahmenbedingungen.

Vielen Dank für die Ausführung zur Infrastruktur und generellen Vereinsausrichtung. Nun legen wir den Fokus auf die aktuelle Saison und den eigenen Kader.

Zur Saison 2019/20 wurden insgesamt neun neue Spielerinnen in den Bundesligakader aufgenommen. Aus dem eigenen Nachwuchs schafften mit Marie Höbinger (18), Sophie Weidauer (17) und Jamie Gerstenberg (17) drei Spielerinnen den Sprung in die erste Mannschaft. Welche Bedeutung hat der Nachwuchsbereich für den Verein?

MATTHIAS: Der Nachwuchsbereich bildet seit vielen Jahren eine grundlegende Säule im Verein. Das Verbundsystem im Luftschiffhafen mit der Sportschule, dem Olympiastützpunkt und dem Landesverband bietet ideale Voraussetzungen für die Entwicklung talentierter Spielerinnen. Aufgrund dessen wird der Nachwuchsbereich auch in Zukunft eine herausragende Bedeutung für den Verein haben. Außerdem wurden mit Zala Mersnik (18), Sara Agrez (18) und Adrijana Mori (19) drei junge Fußballerinnen aus Slowenien verpflichtet. Wie kam es dazu? Wir haben als Trainerteam intensiv die Qualifikation zur U19 Europameisterschaft verfolgt. Slowenien spielte in einer Qualifikationsvorrunde mit Frankreich, dem späteren Europameister und zeigte dabei eine hervorragende Leistung. Die drei Spielerinnen fielen uns in dem Qualifikationsturnier besonders auf. Weiterhin wurden sie bereits in der A-Nationalmannschaft eingesetzt und alle drei haben ein außergewöhnliches Potenzial. Wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, sie für Turbine Potsdam zu gewinnen.

Wie bereits erwähnt, liegt das primäre Ziel im Aufbau einer wettbewerbsfähigen Mannschaft für die kommenden Jahre. Worauf kommt es bei der Verwirklichung dieses Ziels an?

MATTHIAS: Neben den zuvor angesprochenen professionellen Trainingsbedingungen, spielt auch die Gesundheit und das Wohlbefinden der Spielerinnen eine besondere Rolle. Außerdem müssen die engen Partnerschaften zu unseren Sponsoren weiterhin gepflegt und gleichzeitig müssen neue Unterstützer gefunden werden, um die finanziellen Möglichkeiten zu erweitern. Ein weiterer nicht zu verachtender Faktor ist die Unterstützung der Fans, die uns geduldig auf unserem Weg begleiten und an unsere neue Mannschaft glauben. Wir brauchen eine positive Aufbruchstimmung aller im Verein, welche diese Mannschaft trägt.

Nicht nur mit Hilfe der Landeshauptstadt  Potsdam und des Landes Brandenburg ist beim Thema Infrastruktur von großer Wichtigkeit, damit der Verein auch in Zeiten der wachsenden Anzahl der Lizenzvereine im Frauenfußball weiterhin konkurrenzfähig ist. In wie weit ist der Verein abhängig von seinen Sponsoren, einem gut funktionierendem Netzwerk und lokalen Partnern?

ROLF: Ich habe am Anfang auf die Wertschätzung hingewiesen, die unserem Verein entgegengebracht wurde und wird. Das betrifft die Arbeit in der Stadt und ganz besonders die Unterstützung durch das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg. Natürlich ist diese Wertschätzung – das haben wir auch zu spüren bekommen – von sportlichen Erfolgen abhängig. Das kann man gut finden oder nicht, es ist einfach so. Bei den vielen Ansprüchen, die es an die Stadtverwaltung gibt, ist durch die dafür Verantwortlichen sicher zu entscheiden, welchen Stellenwert wir als Verein künftig haben sollen. Nur zur Erinnerung: wir sind einer von zwei Frauenfußball Bundesligavereinen, die seit der Herstellung der Eingleisigkeit der Liga ununterbrochen dabei ist.  Auch wenn sie gegenwärtig in aller Munde sind, es gibt kein Abonnement für Lizenzvereine erfolgreich zu sein oder nicht abzusteigen. Sicher, für den DFB ist es etwas weniger Arbeit, wenn sich mehr Lizenzvereine dazu entschließen, schlagkräftige Frauenmannschaften aufzubauen, aber eigentlich sollte eine möglichst große Vielfalt der Vereine das Ziel des Verbandes sein, wenn überall Mädchen die Chance haben sollen, ihren Sport auszuüben. Darauf zu setzen, dass die einen sähen und die anderen ernten, das geht auf Dauer ganz bestimmt nicht gut. Unser Verein verfügt über starke Partner (AOK Nordost, EWP GmbH, SAP AG, DKB AG, E.dis AG) und viele mittelständische sowie Kleinunternehmen, die uns seit vielen Jahren unterstützen. Wir sind immer unterwegs, um die Zahl der Unterstützer zu vergrößern und zu helfen, wenn es gilt, Netzwerke zu knüpfen. Natürlich haben wir auf unternehmerische Entscheidungen keinen Einfluss, also weder auf die Wahl des Standortes noch auf betriebsinterne Entscheidungen zum Sponsoring – aber was wir tun können, ist durch Leistung und Zuverlässigkeit zu überzeugen. Das sind noch immer  gewichtige Argumente, wenn über die Art und Weise der Unterstützung gesprochen wird. Wir tun alles, um die bestehenden Partnerschaften zu pflegen und den Kreis unserer Unterstützer zum beiderseitigen Nutzen kreativ zu erweitern.

Foto: Saskia Nafe